Pfarrhaus (Bremen Landrat-Christians-Straße 78)

Bremen

Nord

Blumenthal

Blumenthal

Landrat-Christians-Straße 78

Pfarrhaus

2023

Landrat-Christians-Straße 78, Pfarrhaus, 1876 von August Schwägermann und Johannes Rippe

Ursprünglich als Pfarrhaus erbautes Gemeindehaus der evangelisch-reformierten Kirche, kurz vor der Kirche erbaut; zweigeschossiger roter Backsteinbau unter Satteldach, straßenseitig Risalit und Zwerchhaus mit rückwärtigem Nebengebäude°
1943 Umbau des Nebengebäudes zur Einrichtung eines Gemeindesaals (14.4.1943 Brand in Kirche, deshalb Bedarf an Ausweichmöglichkeit)°
1953 Instandsetzung Pfarrhaus u. Eingangszwischenbau Pastorenhaus°
1964 Umbau und Neubau des Gemeindehauses, Architekten: Kurt Schulze-Herringen, BDA u. Erwin Gerding, Arch., Osterholz-Scharmbeck

Die evangelisch-reformierte Kirche und das benachbarte Pfarrhaus in Blumenthal entstanden als Resultat eines geglückten Tauschgeschäfts. Der erfolgreiche Reeder und Kaufmann Christian ("Christel") Heinrich Wätjen (1813 - 1887) hatte dem Kirchenvorstand angeboten, die Finanzierung eines neuen Kirchengebäudes mit Pfarrhaus zu übernehmen, wenn ihm im Gegenzug das Grundstück überlassen werden würde, auf dem das alte Pfarrhaus stand. Dieses Grundstück benötigte Wätjen für die Erweiterung seines Anwesens. Während für das Kirchengebäude ein Architektenwettbewerb ausgerufen wurde, war es Wätjen ein Anliegen, mit dem Abriss des alten Pfarrhauses und der Anlage seines Parks so schnell wie möglich zu beginnen. Daher sollte der Bau des neuen Pfarrhauses in Angriff genommen werden, noch bevor überhaupt ein konkreter Entwurf für die Kirche vorlag. Man hatte allerdings bereits festgelegt, dass die Kirche im neugotischen Stil errichtet werden sollte. Dies war eine zeittypische Entscheidung, denn mit dem gotischen Kirchenbau verband sich eine idealisierte Vorstellung mittelalterlicher Frömmigkeit, die durch die Reproduktion des Baustils auf die Kirchen der Gegenwart übertragen werden sollte. Die Pläne für das neue Pfarrhaus erstellte der Kreis-Bauinspektor August Schwägermann (1818 - 1906) in Stade. Später wurden diese im Auftrag Wätjens von dem Architekten und Bremer Bauinspektor Johannes Rippe (1838 - 1908) überarbeitet. Es war Rippes Idee, den Bau mit zwei Giebeln auszustatten, die nicht nur für mehr Nutzfläche im Dachgeschoss, sondern auch für ein "malerischeres" Bild sorgen würden.°
Das Pfarrhaus und ein Nebengebäude wurden bis Ende 1877 fertiggestellt. 1877 bis 1879 entstand im Westen des Pfarrhauses der Kirchenneubau nach den Plänen Johannes Vollmers (1845 - 1920). Die gewählten neugotischen Formen sollten nicht nur dafür sorgen, dass Pfarrhaus und Kirche wie aus einem Guss erscheinen. Sie waren auch gemeinhin ein beliebtes Stilmittel der Architekten der Hannoverschen Schule, um den eigentlich profanen Pfarrhäusern eine sakrale Anmutung, Würde und Zugehörigkeit zu verleihen. Weder Schwägermann noch Rippe hatten zwar nachweislich die Hannoversche Architektenschule besucht, deren Einfluss auf ihr Gesamtwerk ist jedoch offenkundig. Vor allem der Bremer Johannes Rippe profilierte sich auch in späteren Jahren als versierter Backsteinneugotiker. Die Kirche von Johannes Vollmer, der hingegen tatsächlich ein Schüler Conrad Wilhelm Hases war, sowie das Pfarrhaus stehen somit exemplarisch für eine Architekturströmung, die im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht nur im norddeutschen Raum starken Anklang fand, sondern sich auch auf die angrenzenden Länder ausweitete.°
Das Ensemble von Kirche und Pfarrhaus markiert Blumenthals östlichen Ortseingang. Von Vegesack aus gesehen erscheint der Kirchturm schon von weitem im Straßenbild und signalisiert Urbanität. Kirchengebäude und Pfarrhaus werden als zusammengehörige Einheit wahrgenommen. Obwohl das Pfarrhaus nicht direkt an der Straße und zwischen Bäumen steht, wurde seine Straßenfassade verhältnismäßig aufwändig und ästhetisch ansprechend gestaltet. Dadurch entsteht auch eine visuelle und räumliche Verbindung zur Kirche, die sich mit ihrer Eingangsfassade frontal zur Straße öffnet.